Kommunalwahlprogramm 2020

Einleitung

Nach der Kommunalwahl 2014 konnten wir mit Thorsten Kiszkenow einen Vertreter in den Hagener Stadtrat entsenden. Seit dem ist viel passiert.

Vom finden eines Kooperationspartners im Rat über die Anerkennung als Ratsgruppe und die letztliche Fraktionsbildung bis zur nun anstehenden Neuwahl des Stadtrates haben wir eine Menge Erfahrungen gesammelt. Wir haben vieles gelernt, erste Enttäuschungen hinnehmen müssen aber auch erste Erfolge feiern können.

Vor diesem Hintergrund haben wir unser Programm überarbeitet und aktualisiert.

Wir hoffen, unsere Arbeit im Rat und seinen Gremien auch in der neuen Wahlperiode auf Basis dieses Programms fortsetzen zu können. Für die Einwohner und mit den Einwohnern unserer Stadt.

Transparenz

Die Piratenpartei steht für größtmögliche Transparenz und Bürgerbeteiligung. Gleichzeitig wollen wir Korruption, Bestechung und Lobbyismus bekämpfen.

Zum Zwecke größtmöglicher Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ratsarbeit fordern wir die Aufzeichnung, Archivierung und zeitnahe Veröffentlichung der öffentlichen Teile aller Ratssitzungen in offenen Audio- und/oder Videoformaten. Des Weiteren sind die Möglichkeiten des Livestreamings im Internet zu prüfen und bei günstiger Kosten-Nutzen-Abwägung umzusetzen.

Das Ratsinformationssystem Allris ist stärker zu publizieren, damit Bürger vorzeitig Informationen für Ratsentscheidungen erhalten und diese durch vorberatende Gremien informativ begleiten können.

Wir erkennen die Notwendigkeit geschlossener Sitzungsteile im Rat grundsätzlich an (z. B. zum Schutz persönlicher Daten). Diese sollten jedoch mehr Ausnahme als Regel sein. Die aktuellen Verfahrensweisen führen allerdings zu einer steten Zunahme unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelter Angelegenheiten. Diese Praxis stellen wir in Frage, und möchten auch an dieser Stelle auf mehr Öffentlichkeit und Transparenz hinarbeiten.

Die Einsichtnahme in Verträge der öffentlichen Hand ist aus unserer Sicht ein grundsätzliches Recht des Bürgers. Die Verwendung der Haushaltsgelder muss für jeden nachvollziehbar und überprüfbar sein.

Sämtliche Verträge der Stadt Hagen und ihrer Eigenbetriebe mit Unternehmen (auch städtischen) und im Auftrag der Stadt erstellte Gutachten müssen in Zukunft in Gänze der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Zukünftige Ausschreibungen sollen daher direkt eine entsprechende Bedingung enthalten, dass sowohl die eingehenden Angebote als auch der spätere Vertrag veröffentlicht werden. In den zu veröffentlichenden Dokumenten sind nur etwaige personenbezogene Daten unkenntlich zu machen. Es soll zudem darauf hingearbeitet werden, auch bereits existierende Verträge und Gutachten entsprechend öffentlich zu machen.

Ausschreibungskriterien sind so zu veröffentlichen, z. B. im Internet, dass der Bürger den Entscheidungsprozess begleiten kann. Eine Veröffentlichung der abgegeben Angebote nach Eröffnung der Angebotsphase wäre wünschenswert. Die öffentliche Auftragsvergabe und durch Steuermittel geförderte Projekte und Organisationen sind in einer zentralen Datenbank zu speichern und auf einem Online-Portal zu veröffentlichen.

Kommunale Datenverarbeitung und Datenschutz

Wann immer es nötig wird die Software der technischen Infrakstruktur der Stadt Hagen zu verbessern, Lizenzen zu verlängern oder neu anzuschaffen, muss geprüft werden ob der Einsatz von oder der Auftrag zu freier Software umsetzbar ist. Bei gleicher Eignung und ähnlichen Kosten ist freie Software vorzuziehen. Unter freier Software sind Programme zu verstehen, die von allen uneingeschränkt benutzt, untersucht, verbreitet und verändert werden können.

Die Umstellung auf solche Programme reduziert langfristig Kosten, senkt die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und erhöht die Datensicherheit. Fernziel ist es, dass die Stadt Hagen ihre gesamte technische Infrastruktur auf freie Software umstellt.

Wir befürworten die freie Verfügbarkeit und die freie Nutzung von öffentlichen und behördlichen Daten und möchten diese explizit fördern. Hierbei sollen sämtliche für Open Data relevant erscheinenden Daten von Anfang an so angelegt werden, dass ihre Nutzung keine Rechtsverletzung zur Folge haben kann.

Daher fordern wir, dass alle behördlich erstellten oder durch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellten Daten und Datenbestände (beispielsweise Kartenmaterial, Geodaten oder Statistiken) unter eine freie Lizenz gestellt werden müssen.

Wenigen Bürgern ist bewusst, dass Einwohnermeldeämter Daten an verschiedenste Einrichtungen gegen Geld weitergeben können und dies auch tun.

Wir fordern, dass die Stadt Hagen dies freiwillig unterlässt. Bis zu einer Änderung des Meldegesetzes sollte die Stadt Hagen die Einwohner aktiv auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinweisen. Wir als Piraten Hagen werden auf die Möglichkeit der Datenabfrage bei den Meldeämtern verzichten.

Stadtentwicklung, Verkehr und Infrastruktur

Bisherige Verkehrsplanung konzentriert sich auf das Kernelement des motorisierten Individualverkehrs. Mit dem Masterplan für nachhaltige Mobilität soll nun eine Verlagerung der Konzentration zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes erfolgen. Das ist ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung, aber noch ausbaufähig.

Unsere Fußgängerzone ist bisher durch starken Lieferverkehr weit über die dafür vorgesehene Zeit hinaus geprägt. Dies muss sich ändern und sie muss endlich wieder eine echte Fußgängerzone werden. Lieferverkehr ist auf die dafür vorgesehene Zeit zu beschränken und soll vorrangig durch Fahrrad- und elektrische Kleintransporte erledigt werden. Der gesamte Innenstadtbereich soll möglichst LKW-frei sein.

Ebenfalls ist eine möglichst weiträumige Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30km/h im Innenstadtbereich in Angriff zu nehmen.

Der Umweltverbund ist durch konsequenten Ausbau des Radwegenetzes stärken. Priorität sollten dabei verkehrsreiche Gebiete und Wege zu Erholungsgebieten im Hagener Stadtgebiet haben.

Der ÖPNV wird schon heute sehr stark subventioniert, dennoch haben gerade sozial schwache Gruppen Schwierigkeiten sich ein Ticket zu leisten. Daher sind wir Piraten der Meinung, dass auch die restlichen Betriebskosten auf die Allgemeinheit umgelegt werden können, um so allen Bürgern einen fahrscheinlosen ÖPNV zur Verfügung zu stellen.

Wir setzen uns daher für einen umlagefinanzierten, fahrscheinlosen ÖPNV ein und fordern die Finanzierbarkeit zu prüfen.

Um möglichst vielen Bürgern die Mobilität zu gewährleisten und um Kraftfahrzeugnutzer für den innerstädtischen Verzicht auf das Auto zu gewinnen, ist ein konsequentes Angebot notwendig.

Dies erfordert den Erhalt und den Ausbau des Hagener Busnetzes; Sparmaßnahmen, die eine Verschlechterung des Angebots mit sich ziehen, lehnen wir kategorisch ab.

Da der Individualverkehr nicht an der Stadtgrenze endet, muss eine überstädtische Gestaltung des Angebots gewährleistet sein.

Statt weiteren Parkraum zu schaffen, soll eine Verminderung des nötigen Parkraums durch gezielte Förderung von Bike- und Carsharing sowie neue Park-and-Ride-Angebote befördert werden.

Wir erkennen die Notwendigkeit von Ampelanlagen an, sind aber der Auffassung, dass dies nicht die effektivste und sicherste Möglichkeit zur Steuerung des Verkehrsflusses ist. Aus Erfahrungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern lässt sich erkennen, dass Kreisverkehre das Unfallrisiko erheblich senken, die Wartungskosten reduzieren, die Wartezeiten verkürzen, die Lärmbelästigung und den Schadstoffausstoß senken, sowie wesentlich günstiger sind als eine Ampelanlage.

Daher ist bei Bau- und Sanierungsmaßnahmen, ob eine Ampelanlage wirklich notwendig ist oder ein Kreisverkehr eine sinnvolle Alternative ist.

Eine Förderung von behinderten- und seniorengerechter Stadtplanung ist uns wichtig und soll einhergehen mit einer wohnortnahen Grundversorgung für Senioren.

Wir streben den Ausbau von alternativen Wohnmöglichkeiten im Alter durch Wohngemeinschaften, betreutes Wohnen und altengerechte Wohnungen mit Angliederung an Altenpflegeheime an.

Umwelt und Energie

Ein großer Teil des Hagener Stadtgebietes ist Wald. Dieser ist ein wichtiger Baustein für eine positive Umwelt- und Klimabilanz der Stadt. Das Ökosystem Wald gilt es intakt zu halten und gegen destruktive Einflüsse sowie gegen negative Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und zu stärken.

Damit allein ist es jedoch nicht getan. Um Artenvielfalt und Lebensqualität nicht nur im bewaldeten Stadtrand sondern auch im Stadtinnern zu erhalten sind weitere Maßnahmen nötig.

Im gesamten Stadtgebiet und insbesondere in der Innenstadt sind insektenfreundliche Grünzonen zu schaffen. Bei der Gestaltung von Grünanlagen ist darauf zu achten, dass die Bepflanzung der Artenvielfalt förderlich ist.

Jedes städtische Gebäude ist auf die Möglichkeit der Dach- und Fassadenbegrünung zu prüfen. Bei Neubauten sind diese Überlegungen direkt in den Planungsprozess einzubeziehen. Gleiches gilt für Nisthilfen für Vögel und Insekten.

Gemeinschaftsgärten, Gartenvereine, Grabeländer und Urban Gardening sind gezielt zu befördern und entsprechende Initiativen zu unterstützen, insbesondere durch das Angebot dafür geeigneter Flächen.

Für ein Gelingen der Energiewende ist die Akzeptanz bei der Bevölkerung unabdingbar. Daher ist zu berücksichtigen, dass große Windenergieanlagen nur so gebaut werden, dass die Lebensqualität der Anwohner nicht signifikant beeinträchtigt wird. Stattdessen ist in viel stärkerem Umfang als bisher auf Photovoltaik zu setzen. Dabei sollen auch private Initiativen und Energie-Genossenschaften eingebunden werden. Insbesondere auch an städtischen Gebäuden ist dies noch stark ausbaufähig.

Trassenführungen und Umspannwerke zur Beförderung und Nutzung der benötigten Energie sind nur unter frühzeitiger Einbeziehung und Bürgerbeteiligung zu realisieren, und zwar unter Berücksichtigung der Belastung und Störung der Anwohner und Betroffenen. Alternativen sind zu bevorzugen, auch wenn diese für die Allgemeinheit Mehrkosten bedeutet.

Die Sammlung von Biomüll ist stark optimierbar. Wir fordern die zeitnahe Usetzung der gesetzlichen Bestimmungen und stehen für die Einführung von Biotonnen für alle Haushalte. Die Praxis der Bringhöfe hat sich in Hagen nicht bewährt und widerspricht den Vorgaben durch die höheren Verwaltungsebenen.

Der kommunale Fuhrpark der Stadt Hagen soll nach und nach durch energiesparende Fahrzeuge sowie Fahrzeuge mit alternativen Antrieben ersetzt werden. Der Austausch von Energiefressern in der Verwaltung und städtischen Gebäuden gegen Niedrigenergiegeräte ist voranzubringen. Ein schnellerer Umstieg von Leuchtmitteln auf solche neuerer Generationen kann durch die Einsparung von Energie finanziert werden.

Bildung

Wir. betrachten lebenslanges Lernen als ein Grundrecht.

Deshalb fordern wir den Ausbau der Stadt Hagen als Bildungszentrum durch eine Stärkung der FernUniversität, der Fachhochschule, der VHS und anderer Bildungsstätten in Hagen. Bibliotheken sollen erhalten bleiben, ebenso wie die Möglichkeit des freien Lesens für Kinder und Jugendliche.

Den Eltern soll die Wahl von Schule und Schulform für ihre Kinder ermöglicht werden bzw. erhalten bleiben.

Wir setzen uns für einen dem demografischen Wandel Rechnung tragenden Erhalt von wohnortnahen Grundschulen ein. Leerstehende Räume sind dabei für alternative Nutzungen (z. B. für den Ausbau von Kindertagesstätten, Zusammenlegung von Jugendzentren oder anderen kulturellen Einrichtungen) freizugeben.

Kultur

Wir stehen für den Erhalt einer breiten Kulturszene in Hagen. Besonders die freie Kulturszene liegt uns dabei am Herzen. Die Kulturvielfalt in Hagen darf nicht zu Gunsten der Hochkultur (Theater und Museen) eingeschränkt werden.

Subventionen für Kulturangebote an einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung müssen bei knappen Haushaltskassen überprüft und gegebenenfalls zurückgefahren werden. Um dennoch ein breites Kulturangebot zu ermöglichen, müssen Alternativen gesucht werden. Leerstehende Räume in kommunaleigenen Einrichtungen könnten zum Beispiel den Menschen für ein geeignetes Kulturprogramm angeboten werden.

Finanzierung und Weiterbetrieb des Emil-Schumacher-Museums gehören auf den Prüfstand. Ein Fortbestand des Museums ist nur bei deutlicher Reduzierung der Kosten für die Stadt denkbar. Dabei ist auch Rückabwicklung in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls durchzuführen.

Zum Ausgleich von Haushaltsdefiziten darf auch der Verkauf von Kunstwerken kein grundsätzliches Tabu sein.

Sport und Freizeit

Sport dient nicht nur zur körperlichen Ertüchtigung, sondern hat auch einen hohen Stellenwert in der Freizeit. Öffentliche Freizeitanlagen und Sportstätten sollen unter Berücksichtigung des demografischen Wandels erhalten und instand gesetzt werden.

Fördermittel für vereinseigene Anlagen müssen bedarfsgerecht verteilt werden. Die Belastung durch öffentliche Abgaben für die Vereine mit vereinseigenen Anlagen sollte durch Fördermittel ausgeglichen werden.

Sportveranstaltungen von Vereinen, die Einnahmen generieren und dafür öffentliche Sporteinrichtungen nutzen, sind mit Gebühren zu belegen. Diese Gebühren sind zweckgebunden zur Erhaltung der Sportstätten zurückzuführen.

Vereine, die öffentliche Sportanlagen nutzen, sind mit geringen Gebühren an der Unterhaltung zu beteiligen.

Zur Förderung des Breitensportes streben wir die Errichtung von öffentlichen Fitness-Parcours in allen Stadtteilen an. Dieser sind so zu gestalten, dass ein von möglichst vielen Menschen nutzbares vielseitiges Angebot geschaffen wird, unabhängig von Alter und eventuellen körperlichen Beeinträchtigungen.

Finanzen

Uns ist die finanzielle Lage der Stadt bewusst. Ohne die Beseitigung der Altschulden und des strukturellen Defizits ist eine vernünftige Politik in Hagen nicht möglich.

Deshalb werden wir Maßnahmen zur Beseitigung unterstützen. Hierbei ist uns eine breite Unterstützung wichtig, auch über Parteigrenzen hinaus. Bei diesen Maßnahmen müssen die Bürger stärker mit einbezogen werden.

Wir fordern weiterhin eine Stabsstelle für das Fördermittel Management.

Uns ist auch bewusst, dass wir im Bereich der Einnahmen durch Abgaben die Grenzen der Belastbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Städten und Gemeinden erreicht haben. Die Schmerzgrenze für Bürger und Unternehmen ist längst überschritten. Dies schreckt Bürger und Unternehmen ab, in Hagen ansässig zu bleiben oder zu werden.

Nur durch den Erhalt und den Zuwachs  von Einwohnern und sozialem und qualitativem Wachstum ist die Einnahmesituation für die Stadt Hagen zu verbessern und das strukturelle Defizit der Stadt Hagen langfristig zu beseitigen.

Kurzfristig kann das strukturelle Defizit der Stadt Hagen nur durch die Reduzierung der Ausgaben beseitigt werden. Hier wurden in den letzten Jahren starke Einschnitte vorgenommen. Auch hier ist uns bewusst, dass auf der Ausgabenseite die Grenze der Belastbarkeit erreicht ist. Es dürfen keine weiteren Kosten von Bund und Land auf die Kommunen abwälzt werden und damit die Ausgabenseite weiter belastet werden. Auch müssen Kosten wieder von Bund und Land übernommen werden, wie es in der Vergangenheit war.

Das größte finanzielle Problem für die Stadt Hagen sind ihre Altschulden. Denn wenn die Zinsen in den nächsten Jahren wieder steigen werden, ist die Stadt Hagen nicht mehr handlungsfähig. Die Zinsen werden alle vorherigen und zukünftigen Kompensationsmaßnahmen zunichtemachen. Aus dieser Lage kann sich die Stadt Hagen nicht aus eigener Kraft befreien und braucht Unterstützung durch Bund und Land.

Die Altschulden von Städten und Gemeinden müssen in einem gemeinsamen Kraftakt zwischen Bund, Länder, Städte und Gemeinden beseitigt werden.